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Florian Voß - Siebenfingers Rache.pdf
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Die Ruinen von Vinatur

Herzog Skarben kniete am großen Teich, den alle nur den Mutterschoß nannten, und rieb seine schrundigen Klauen mit Algen ein, die seine dunkelgrüne Haut noch grüner leuchten ließ.

Die Nacht der Neuen Brut rückte näher, und Skarben hoffte, das der Teich dieses Mal nicht ganz so üppig gebären würde wie vor sieben Jahren.

Ein winziger, blau schimmernder Frosch glitt vor ihm durch das Wasser, die Schwanzflosse der Quappe noch zwischen den Hinterbeinen. Skarben beobachtete ihn mit reglosen Augen. Ein dunkler Schatten huschte unter dem Frosch durch den Teich.

Einer der Hauptmänner seiner Horde trat an ihn heran und verbeugte sich tief.

„Mein Herzog, wir haben einen Gefangenen gemacht, in der Knochenschlucht. Ein merkwürdiger Mann, mit einem Brandmal auf der Rechten, ganz ähnlich dem Siegel der Abgesandten. Vielleicht ein Späher.“

Seine Stimme klang rau und ungeübt. Er war jetzt im dritten Alter und hatte gerade erst richtig zu sprechen gelernt.

Skarben schaute ihn abschätzig an.

„Ich denke nicht, dass Ihr fähig seid, so voreilige Schlüsse zu ziehen.“

Andererseits könnte der Mann recht haben. Den Abgesandten der Maris-Jünger war nicht zu trauen. Sie hatten es zwar bis über das Gebirge geschafft, sie hatten die Erzherzöge sogar um ein Bündnis gebeten. Was sie jedoch genau wollten, war ihnen nicht zu entlocken. Oder aber Skarben stand in der Rangfolge nicht hoch genug, als dass die Erzherzöge es ihm erzählen würden.

Er blinzelte in die bleichen Sonnenstrahlen, die durch die Blätter der Sumpfweiden brachen, an den Schlingpflanzen entlang glitten, den feinen Dunst über dem großen Teich wie einen Silberschleier leuchten ließ.

„Sind die Vorbereitungen für das Fest der Neuen Brut abgeschlossen?“

Der Hauptmann wiegte den bulligen Schädel zögerlich hin und her. Seine Lefzen kräuselten sich und gaben den Blick auf die scharfen Fangzähne frei.

„Sie kommen voran … hat man mir gesagt.“

Skarben schaute wieder auf den Wasserspiegel und konnte jetzt deutlich den Raubfisch erkennen, der unter dem wild paddelnden Frosch kreiste. Er formte seine Klaue zu einer Schale und fischte den Frosch aus dem Wasser. Das Tier zappelte kurz und blieb dann, starr vor Schreck, in seiner Klaue sitzen. Noch vor ein paar Wochen war es eine Kaulquappe gewesen, kaum mehr als eine Pflanze, so wie seine Horde, so wie die Kinder seines Volkes.

Skarben räusperte sich, das Sprechen fiel ihm schwer. Auch nach all den Jahren kamen ihm die Worte an manchen Tagen wie zäher Schleim aus der Kehle.

„Was hat es mit diesem Gefangenen auf sich? Wieso hat er versucht, den Knochenrücken zu queren?“

Der Hauptmann zuckte mit den Schultern.

„Er spricht nicht, mein Herzog.“

„Ah, einer der Unsrigen!“

Aber der Hauptmann verstand den Scherz nicht, schaute nur stumpf in Skarbens Gesicht und wartete auf Anweisungen.

Das Wasser war dunkler als gewöhnlich. Nicht mehr lang bis zur Nacht der Neuen Brut, das konnte Skarben erkennen, der Teich bereitete sich vor, kam in Wallung, als würden die Algen am Grund brodeln und als grüne Wolken zur Oberfläche ziehen.

„Bringt mich zu dem Gefangenen. Wo habt Ihr ihn untergebracht?“

„In den Käfigen bei den Mondsümpfen. Seine Beine sind schon voller Blutegel.“

Der Hauptmann grinste mit schmalen Lippen. Skarben keuchte vor Unwillen.

„Bei der Moormutter! Was habt Ihr Euch gedacht? Ihr wisst genau, dass diese Käfige nicht für die Menschen gemacht sind.“

Langsam erhob sich der Herzog. Der winzige Frosch saß noch immer in seiner Klaue und schien ihn anzustarren, mit glänzenden Augen. Ganz so wie seine Untergebenen, seine kämpfenden Söhne, diese stumme Brut des Teichs.

Skarben schloss die Augen und spürte den leichten Wind auf dem Gesicht. Grillen wisperten im Riedgras, der torfige Geruch des Ufers stieg ihm in die Nase.

Langsam öffnete er wieder die Lider und blickte den Hauptmann voller Verachtung an, dann ballte er seine, von Algen überzogene, Klaue zur Faust und drückte so lange zu, bis ihm das Blut des Froschs zwischen den Knöcheln entlang rann. [...]

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